Was passiert in einer Sexualberatung?
- Katharina Köberl
- 15. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Diese Fragen werden mir oft gestellt: Kathi, was macht man eigentlich in deinen Beratungsstunden? Wie kann ich mir das vorstellen? Was meinst du immer mit Erweiterung? Und was ist dieses Sexocorporel? Lass uns Klartext reden.
First things first. 2023 absolvierte ich die Ausbildung zur klinischen Sexologin. Konzept: Sexocorporel. Sexo-was?
Sexocorporel ist ein wissenschaftliches Konzept, das verschiedene Ebenen in der Sexualität verbindet und dadurch ein differenziertes Bild schafft. Es hilft in der Beschreibung von Sexualität und bietet zugleich Lösungsansätze für sexuelle Probleme. Sehr vereinfacht lässt sich sagen: Es geht davon aus, dass wir ziemlich komplexe Lebewesen sind, deren Zugang zur Sexualität von Körper, Geist, Emotion und Beziehung bestimmt ist.
Es ist eine ausgefeilte Linse, durch die Sexualität verständlich gemacht werden kann.

Dafür gibt es 4 Basics, ohne die es nicht geht:
Geist und Körper sind eine Einheit. Sie sind keine getrennten Einheiten, sondern wie zwei Seiten einer Medaille. Einen ruhigen Geist haben Menschen, wenn sie körperlich auch reguliert sind. Wenn du mal deine Arme in die Luft wirfst, breitbeinig stehst, zum Himmel blickst und schreist: „Ich bin so depressiv!“, kommt die traurige Stimmung an? Nein. Warum? Weil dein Körper nicht in eine depressive Verstimmung fallen kann, wenn du so eine Haltung einnimmst. Lässt sich einsetzen im Alltag - gerne mal probieren!
Was heißt das in der Sexualität? Du willst länger können oder deine Erregung mitsteuern? Schon mal deine Körperhaltung angesehen? Kannst du entspannt zum Höhepunkt surfen oder bist du eher das Surfbrett? Hart und unflexibel, von oben bis unten angespannt, nur ein Ziel vor Augen. Dein Erleben steuert dein Körper zum größten Teil. Wir arbeiten viel mit dem Körper, weil er uns ermöglicht, das Erleben zu verändern.
Sexualität ist erlernbar. Wir kommen zwar auf die Welt mit der Fähigkeit Erregung in unseren Genitalien zu spüren, müssen diese aber erforschen. Und das tun wir sobald wir es können. Kinder entdecken ihren GANZEN Körper und folgen dem, was angenehm ist. Erst später formt sich meist EIN Weg, der dann ganz gut funktioniert. Wenn uns dieser eine Weg allerdings einschränkt, weil…
der/die Partner*innen daran kein Interesse haben
Selbstberührung schmerzhaft sein muss, damit man zum Höhepunkt kommt
die Stellung die man braucht, keine ist, in der Paarsexualität möglich ist.
es ein Fetisch ist, ohne den es nicht mehr geht und das Gegenüber nicht den selben Fetisch hat,
wir den Zugang verloren haben
dann kann man sich Unterstützung holen.
Side note: Neugierde ist meist auch ein guter Begleiter, es muss nicht immer der Hut brennen.
Sexualität lässt sich erweitern. Das heißt, die Art wie du jetzt Sex hast wird dir immer zugänglich bleiben. Und es kommt Neues dazu. Dein Auftrag ist der Inhalt, meine Aufgabe ist der Rahmen und die Prozessstruktur. Ich schaffe Übungsangebote und begleite dich im Prozess, deinen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen. Ich gebe nicht vor, welche Sexualität wie, wo, wann mit wem oder wofür gelebt werden soll. Das darfst du dir selbst aussuchen, wie es für dich passt.
Veränderung ist absolut möglich, wenn du den Weg gehst. Ich bin keine Sex-Zauberfee, die dich innerhalb von 90 Minuten heilt. Dein Anliegen begleite ich mit bestem Wissen und Gewissen, meiner Expertise und Empathie. Änderung entsteht, wenn du dich einlässt, deiner Neugierde folgst und dran bleibst. Eines kann ich dir versprechen: Es ist eine der spannendsten Reisen, auf die man sich machen kann!
Was macht man zum Beispiel in so einer ersten Stunde?
Jemand kommt in meine Beratung, was kommt jetzt? Dann setze ich mir die Sexocorporel Linse auf die Nase und stelle meist zu Beginn ziemlich viele Fragen, weil ich verstehen möchte, wo du stehst. Im Fachjargon sprechen wir von der Evaluation des sexuelles Systems. Dazu frage ich dich zum Beispiel zum Thema Masturbation. Manchmal zeichnen wir eine Erregungskurve - also den Abschnitt zwischen dem Beginn der Erregung und dem Höhepunkt. Was passiert in dieser Zeit körperlich? Was passiert gedanklich? Wie erlebst du das emotional? Welche Tools verwendest du, um die Erregung zu intensivieren? Welche Tools verwendest du, um länger zu können? Welche Tools verwendest du, um in den Körper zu kommen? Visualisiert macht Vieles gleich viel mehr Sinn und bietet Ansätze der Veränderungen.

Was kann ich mir unter einem gemeinsamen Prozess vorstellen?
Nicht jede Person benötigt dasselbe, daher beginnt nach einer ersten Klarstellung was der Auftrag ist, der kreative Prozess und das Erforschen deiner Sexualität. Erforschen bedeutet einerseits Körpersequenzen, die dich ins Erleben bringen und by the way auch manchmal lustig sein können. Andererseits bedeutet Erforschen auch kognitives Verstehen. Was denke ich über mich? Was denke ich über Sexualität? Was darf man in der Sexualität und was nicht? Bin ich normal? All das sind wichtig Fragen, denen wir uns widmen.
Manchmal braucht es nur 1-2 Gespräche, die dich entlasten. Manchmal braucht es einen längerfristigen Prozess, der dich in dein Selbstbewusstsein und deine Kraft bringt.
Was kann ich nicht erwarten?
Wir werden in den Einheiten Sexualität nicht teilen oder gemeinsam in die Erregung gehen. Das heißt wir ziehen uns NICHT aus, wir berühren uns nicht genital oder am Körper oder gehen gemeinsam in die Erregung. Alle Kleidung bleibt an. Wenn du auf der Suche nach sexuellem Kontakt bist, gibt es viele andere Möglichkeiten, die zu dir passen könnten.
Was kann ich erwarten?
Du kannst erwarten, dass du mit all deinen Fragen, Themen und Unsicherheiten willkommen bist. Es gibt keine Tabus, keine Bewertung und kein „zu viel“ oder „zu wenig“. Alles, was du mitbringst, darf da sein – Scham, Neugier, Frust, Sehnsucht oder Freude.
Du kannst erwarten, dass du gesehen wirst – als ganzer Mensch mit Körper, Geist, Emotionen und Geschichte. Wir schaffen gemeinsam einen sicheren Raum, in dem du dich öffnen und Schritt für Schritt erforschen kannst, was deine Sexualität für dich bedeutet.
Du kannst erwarten, dass du etwas über dich lernst:
Wie dein Körper funktioniert und was er braucht, um sich sicher und lebendig zu fühlen.
Welche Gedanken und Glaubenssätze dein sexuelles Erleben beeinflussen.
Wie du deine Erregung besser verstehen, lenken und genießen kannst.
Du kannst erwarten, dass du praktische Übungen erhältst – manchmal körperorientiert, manchmal gedanklich oder emotional. Diese helfen dir, neue Erfahrungen zu machen und alte Muster zu verändern. Das kann z. B. bedeuten, Atem, Bewegung, Stimme oder Berührung auf neue Weise zu entdecken.
Du kannst erwarten, dass ich dich achtsam begleite – mit Fachwissen, Struktur und Empathie. Ich leite dich an, stelle Fragen, erkläre Zusammenhänge und biete Impulse, aber du entscheidest, in welchem Tempo du gehst und welche Richtung sich stimmig anfühlt.
Du kannst erwarten, dass Veränderung möglich ist – manchmal leise und subtil, manchmal spürbar und kraftvoll. Vielleicht wirst du dich weicher, sicherer, mutiger oder neugieriger erleben. Vielleicht wirst du entdecken, dass Sexualität weit mehr sein kann als das, was du bisher kanntest.
Und du kannst erwarten, dass Humor, Leichtigkeit und Menschlichkeit Teil des Prozesses sind. Sexualität ist nicht nur ein Thema von Problemen, sondern vor allem ein Feld von Lebendigkeit, Freude und Wachstum.



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