Göttin Baubo & La vie est vulva
- Katharina Köberl
- vor 5 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen
Wer war die griechische Göttin Baubo und was hat sie mit uns heute zu tun? Warum soll das Leben die Vulva sein? Und was würde deine Vulva sagen?!
25 Grad in Wien, im Café Ansari gibt es süßen Minztee, ich sitze unter den schattenspendenden Markisen am frühen Morgen, ein kleiner Feigenbaum verströmt seinen holzigen Duft und ich lade euch ein, in eine neue und eine alte Ge-schichte einzutauchen.
Beginnen wir mit der neuen Geschichte:
La vie est vulva.
Ich erinnere mich noch gut, als ich 2020 einen Namen für meine Vulvabilder gefunden hatte: In der Küche meiner damaligen WG im 3. Bezirk wurde „La vie est belle“ zu „La vie est vulva“. Zu der Zeit las ich das Buch „Vulva, das unsichtbare Geschlecht“ von Mithu Sanyal. Ein Werk, dass ich jeder Person mit Vagina / Vulva ans Herz legen möchte.
Damals malten wir in einer Frauengruppe, die ich organisierte, unsere eigene Vulva. Nicht nur das, wir schrieben uns selbst Briefe aus der Perspektive unserer Vulva. So entstand "La Vie est Vulva" erstmals in einem Kreis aus mutigen Frauen. Die Frage war: Was hat ein geheim gehaltener, unsichtbarer Körperteil, der zu gleichen Teilen als verlockend galt und verteufelt wurde zu sagen? Eine Frage, auf die es so viele Antworten wie Vulven gibt. Und obwohl diese Texte einer sehr nahe gehen können und es wert wären zu teilen, bleiben sie vorerst unter Verschluss. Sie sind heute nicht Teil dieses Textgeflechts, sondern bleiben im Verborgenen, wie ein voluminöser Unterrock.

Seither begleitet mich das Thema „geni(t)aler Körper“ vor allem in der Arbeit und im künstlerischen Ausdruck. Ich male verschiedene Aquarellvulven, detailverspielt und abstrakt, provokant und - wer weiß, vielleicht bringen sie so manche Menschen dazu, aus tiefstem Herzen zu lachen? Denn bereits in der Antike hatte die Vulva einen lebensspendenden Stellenwert, der über die Jahrtausende marginalisiert und damit vergessen wurde. Doch beginnen wir am Anfang...
Die Alte Geschichte:
Baubo. Ein vergessener, griechischer Mythos

Die Erdgöttin Demeter liebte ihre Tochter Persephone sehr und hütete sie wie ihren Augapfel. Phersephone, die Göttin des Frühlings, war jung und schön. Sie liebte die Täler, die Blumen und die Bäume. Eines Tages ging sie durch ein Tal spazieren und sah einen Baum, der verschiedenste Blumen trug. Sie kam näher und berührte zärtlich die Blumenblätter des Baumes. Während sie das tat, öffnete sich die Erde unter ihr. Hades, gefolgt von schwarzen Pferden, stieg aus der Unterwelt hervor. Er stahl Persephone und brachte sie in die Unterwelt, die Welt des Todes.
Nach einiger Zeit begann Demeter ihre Tochter zu suchen. Sie suchte Persephone in den Tälern, an den Küsten, in den Bergen und Flüssen. Doch nirgendwo konnte sie ihre Tochter finden. Als Demeter ihren Verlust erkannte, fiel sie in ein tiefes Loch der Verzweiflung. Sie wusch sich nicht mehr, sie lachte nicht mehr, sie aß nicht mehr. In ihrer Trauer und Wut verfluchte sie das Leben und die Welt. Von dem Moment konnten die Menschen keine Ernten mehr einfahren, es wurden keine Kinder mehr geboren und nichts wuchs mehr.
Demeters Schönheit und Energie war verschwunden, ihr Gesicht war eingefallen und ihre Haare wurden kraus. Die ständige Suche nach ihrer Tochter laugte sie aus und eines Tages brach sie zusammen.
Gerade in dem Moment, als Demeter das Leben als ausweglos erkannte, kam jemand auf sie zu. Ist es eine Frau? Ja! Es ist eine Frau, aber eine andere Art von Frau. Ihr Mund war eine Vulva und ihre Augen waren ihre Brüste - eine Bauchfrau! Als Demeter genauer hinsah, erkannte sie, dass die Frau tanzte. In Demeters Gesicht war ein schwaches Lächeln zu sehen.
Das war Baubo, die Bauchgöttin. Baubo kam noch näher und setzte sich neben sie und flüsterte etwas in Demeters Ohr. Demeter begann zu grinsen, zu lächeln, zu lachen und brach schließlich in laut schallendes Gelächter aus. Die beiden konnten sich nicht mehr halten und lachten über Baubos Worte bis ihre Bäuche schmerzten.
Demeter wischte sich Freudentränen aus dem Gesicht, blickte Baubo an und als sie endlich enden konnten, standen die beiden Frauen auf und gingen auf die Suche nach Persephone. Sie fanden die junge Frau und seither wissen wir, dass Persephone, nun die Göttin des Todes, jedes Jahr sechs Monate in der Unterwelt weilt und sechs Monate auf der Erde wandelt.
Die Geschichte von Baubo wurde eher für die Göttin Demeter und ihre Tochter Phersephone bekannt. Aber dieses Mal soll es um die hitzige und schmutzige Göttin der Sexualität gehen.
Um Baubo.
Schmutzige Göttin? Ja, in Relation zur Erde, zum Schlamm, zur Fruchtbarkeit.
Baubo ist ein Symbol für innere Anteile, die in Kontakt mit der eigenen Sinnlichkeit stehen, die verbunden mit Genuss wie Essen, Schönheit und Sexualität sind. Weder die Sinnlichkeit, noch den (sexuellen) Genuss versteckt sie - ganz im Gegenteil: Ihre Sexualorgane trägt sie sichtbar für jede*n, sie tanzt und spricht damit. Sie sieht mit ihren Nippeln. Ein Organ das auf Temperatur, Gefühle und Lärm reagiert. Sie spricht mit ihrer Vulva - worüber? Spricht sie Ursprung, spricht sie Sex, spricht sie Wahrheit?
Sie ist keine ernste oder intellektuelle Göttin. Ihre Essenz liegt im Genuss, im Spiel, im Lachen, in der Sexualität. Sie ist Humor, sie ist Öffnung des (emotionalen) Körpers, sie ist Atmung durch Lachen - ein Schlüssel zur Vitalität.
Genau mit dieser Essenz holt sie Demeter aus ihrer Verzweiflung und haucht der Welt wieder Leben ein. Wenn das nicht heilig ist!
Wo ist Baubo im Körper? Für mich ist sie im Bauch. Im Genuss von gutem Essen, im Lachen, das aus der Tiefe kommt, in der Hingabe zur Lust. Wo wäre Baubo in deinem Körper? Wenn du durch deine Nippel siehst, was siehst du? Was würde deine Vulva sagen?
Sie erinnert uns an die Quelle der Lust.
Sie ist eine Einladung tief zu atmen, bis in den Bauch und bewusst zu spüren, wie sich Genuss und Heiterkeit anfühlt.
Baubo ist wild und weise. Ihre Tänze und Witze schenken Demeter Lebenslust, neue Energie und erinnern sie an ihr inneres Feuer. Ihre Weisheit rettet die Welt, denn ohne Wachstum und Ernte, gibt es kein Leben.
Lachen ist heilend, Lachen ist heilig - auch im Bereich der Sexualität.
Als eine Frau unter Frauen zu sprechen, ist so so wichtig.
Die Vulva ist das Leben. La Vie est Vulva.
Wenn ich meine Vulvabilder an der Wand hängen sehe, denke ich an Baubo und ihre Kraft.
Und dann lache ich darüber.

In Liebe,
Katharina
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